Die Deutschen in Kaş – ein weites Feld

Wie beschreibt man die Deutsche Community?

Rita Schumann

Rita SchumannКак ухаживать за бассейном


Eine der ersten Reaktionen auf meine Frage, was denn die Deutschen in Kaş so machen, war: „Katzen füttern!“ Ja, das ist fürwahr eine Lieblingsbeschäftigung vieler deutscher Frauen. Sie kümmern sich um die Tiere, unterstützen die „KaşAnimalFriends“ , andere unterstützen die Kinder in Kaş, indem sie bei den „BusyBees“ oder anonym helfen, aber das ist natürlich nicht alles.

Es gibt verschiedene Gruppierungen und Strömungen, mit diversen Verbindungen, Schnittstellen und Kontakten.

Die Deutschen in Kaş sind die, die mit einem Türken, einer Türkin verheiratet oder liiert sind. Es sind die dauerhaft hier Wohnenden, die die kommen und gehen, die Urlauber und dann noch die, die nicht mehr da sind, aber ihre Spuren hinterlassen haben.

Mit dieser Gruppe möchte ich anfangen und stellvertretend Bettina erwähnen, die die Idee für das Papillon Café hatte und Gabi, die ab Ende der 80-er Jahre die Barakuda – Tauchschule mit aufgebaut hat. Therese arbeitet dort im Büro und ist ein guter Ansprechpartner.

Papillon Cafe entrance, Kaş, Turkey

Papillon Cafe entrance, Kaş, Turkey

Viele Deutsche waren und sind so von Kaş und den Menschen angetan, dass sie sich ursprünglich hier ein Feriendomizil geschaffen haben und dann oft ganz hier geblieben sind.

Uta sagt es so und spricht dabei das aus, was viele ebenso empfinden: „Der Stressfaktor in Deutschland ist sehr hoch, man muss irgendwie funktionieren. Schon im Urlaub merkt man, dass Kaş etwas Mystisches hat, dass die Natur dominiert und man wieder zu sich kommt. Das Leben hier ist nicht so perfekt wie in Deutschland, aber dafür entspannter, menschlicher und authentischer. Man kann hier besser mit den eigenen Schwächen leben. Die Menschen lassen sich nicht so unter Druck setzen und legen sich ungern auf genaue Termine fest. Oft wundert man sich, dass ein Handwerker nicht zur vereinbarten Zeit, dann aber unerwartet doch kommt und manchmal bis in die Nacht arbeitet. Ich beobachte bei vielen Ladenbesitzern, Handwerkern und sogar in den Banken und Behörden, dass leben und arbeiten ineinander übergehen und es nicht so eine strenge, rigorose Trennung von Beruf und Privatleben gibt. Es ist schön, die Naturschauspiele, die Jahreszeiten, die Mondphasen so direkt erleben. Ich fühle mich hier einfach viel freier als in Deutschland, weil ich das ganze Jahr überwiegend draußen leben kann. Außerdem gefällt es mir, dass die Natur das ganze Jahr lebendig ist.“

Auf der Halbinsel gibt es einige Deutsche, die sich dort vor allem wegen der schönen Häuser und Villen und dem freien Meerblick angesiedelt haben. Jeder lebt dort sein eigenes Leben und es gibt nicht so viele Berührungspunkte, so dass nicht alle Deutschen auf der Halbinsel miteinander in Kontakt sind. Einige kennen sich gar nicht persönlich.

Marlis Diemont sagt: „Man lebt auf der Halbinsel ein bisschen abgeschottet und bekommt Vieles, was in Kaş passiert, gar nicht mit.“ Sie ist befreundet mit Petra Bonomi und beide sind Künstlerinnen für experimentelle Malerei. „Wir waren die ersten, die vor vielen Jahren zusammen mit Valentine van Herpen Ausstellungen gemacht haben.“

Uschi und Tamer betreiben schon seit vielen Jahren das Hadrian Hotel und viele ihrer Gäste sind Deutsche.

Peter Becker lebt auch auf der Halbinsel und hat das virtuelle Buch Faszination Lykien geschrieben.

In einer Wandergruppe trifft man sich im Frühling und ab dem Spätsommer regelmäßig. Auch Holländer, Türken, Österreicher und der Finne Seppo gehören dazu. Es gibt kein festes Programm und oft werden die Wege gesucht und gefunden. Man macht aber auch große Reisen wie zum Beispiel eine Wanderwoche in Kappadokien.

Für die deutschen Frauen und Markus, die hier verheiratet bzw. liiert sind, ist es nicht das entspannte Leben bei schönem Wetter, das ihr Leben dominiert, sondern es sind die Familie, die Arbeit, die sie teilweise als Selbstständige oder als Angestellte verrichten. Sie alle sind eingebunden ins soziale und kulturelle Leben von Kaş, das die Türken prägen. Für die Frauen ist es aber wichtig, sich auch untereinander zu treffen, wozu sie aber meist nur im Winter, d. h. nach der Saison Zeit haben, um in ihrer Sprache zu sprechen und sich auszutauschen. Einige dieser Frauen besitzen sowohl die deutsche, als auch die türkische Staatsbürgerschaft.

Das Sprechen der türkischen Sprache ist ein wichtiger Aspekt im Leben und fördert die Akzeptanz und die Selbständigkeit.
Gerade in der Erziehung der Kinder und in der Schule gehen die Vorstellungen darüber, wie Erziehung aussehen sollte oder gestaltet werden könnte, oft mit dem, was hier praktiziert wird, weit auseinander. „Wir sind mit Regeln aufgewachsen, die wir nicht auslöschen möchten und deren Anwendung oft sehr gut und hilfreich ist“, sagten sie in einem Zeitungsinterview.

Je mehr die Mütter mit den Lehrern in Kontakt stehen, desto besser ist die Akzeptanz und Martina war einige Jahre lang Elternsprecherin.

Kirsten Wagner, Kaş Delicatessen, Kaş, Turkey

Kirsten Wagner, Kaş Delicatessen

Die deutschen Urlauber, die nach Kas kommen, sind meistens Individualreisende, oftmals Taucher oder Wanderer. Es sind aber auch die, die mal zufällig, meist vor vielen Jahren, als Kaş noch klein war, hierher kamen. Sie kommen immer wieder. Andere wiederum machen Urlaub in Kaş, weil ihre Freunde oder Familienangehörige hier wohnen.

Dancing Ladies, Kaş, Turkey

Bauchtanzgruppe aus Bremen

Zum siebten Mal waren im September Schüler der Offene Schule Waldau aus Kassel zum Schüleraustausch hier und dieser soziale und kulturelle Austausch ist aus dem Leben in Kaş auch nicht mehr wegzudenken.

Beim Schüleraustausch im letzten Jahr hatte Felicitas eine wichtige Aufgabe. Sie war nicht nur beteiligt, sondern wurde immer wieder zum Übersetzen herbei gerufen, denn sie spricht mittlerweile richtig gut türkisch. „Meine Freundin ist Deutsch-Türkin, meine Schwester und ich sind deutsch, und es macht uns manchmal richtig Spaß deutsch zu sprechen, damit die anderen uns nicht verstehen. Wenn wir aber beim Einkaufen merken, dass uns jemand zuviel Geld abknöpfen will, dann geben wir zu erkennen, dass wir hier leben und dann schämen sich die Verkäufer sehr und behandeln uns wie Türken.“ Felicitas sagt, dass ihr das Leben in Deutschland nicht fehlt, aber dass sie gerne mal mehr shoppen gehen würde oder in ein richtiges Kino. Das deutsche Fernsehen zeigt ja immer was gerade aktuell ist.

Tina aus Göksei hat ein bisschen über ihr Rentnerleben in Kaş berichtet. Seit gut fünf Jahren leben sie mit drei Parteien im „Deutschen Haus“. „Wir fühlen uns in unserem sozialen Gefüge sehr wohl. Einer achtet auf den anderen, ohne, dass man sich gegenseitig zu nahe kommt. Wir teilen uns die Gartenarbeit, helfen uns beim Handwerken und jeder bringt sich mit dem ein, was er gut kann. Mein Mann Harald ist richtig bekannt für sein selbst gebackenes Brot.“ Die Deutschen lieben ihr gehaltvolles Brot, das viele Türken eher als Kuchen bezeichnen, weil es aus mehr Zutaten als nur aus Mehl, Fett, Ei und Wasser besteht.
Die Rentner in Kaş sagen, dass sie hier ein Leben führen können, wie es ihnen in Deutschland nicht möglich wäre. Viele betätigen sich als Künstler und nehmen an Ausstellungen teil. Einige nehmen bei dem Holländischen Portraitmaler Ton Unterricht.

Es gibt regelmäßige Treffen zum Spielen: Sei es Billard, Skat, Tavla (Backgammon), Okey oder andere Kartenspiele. Natürlich feiert man auch zusammen. Mal trifft man sich im kleinen Kreis zum Geburtstagskaffee oder –brunch. Besonders begehrt waren Oldiepartys bei Sadık im Kappadokya, die es aber derzeit nicht gibt. Dafür treffen sich dort viele Nationalitäten, um dort gemeinsam zu essen, denn jeder, der mag darf dort auch mal kochen.

Es gibt für die Rentner aber nicht das rein deutsche Leben, meistens sind ihre Gruppen und Treffen zusammen mit vielen anderen Nationalitäten, die auch in Kaş leben. Tina sagt: „ Unsere Hilfe beruht auf Gegenseitigkeit. Wir haben hier mehr Nähe zu Nachbarn und Freunden als in Deutschland und wir leben mit einer gewissen Gelassenheit. Kaş ist so schön klein, auch wenn es groß geworden ist und sich verändert hat. Früher waren wir als Ausländer etwas Besonderes. Wir wurden von den Türken eingeladen und sie kamen dann auch zu uns. Es gab viel Kontakt zu den Türken, auch wenn wir ihre Sprache nicht konnten, aber heute bestimmen der Tourismus und das Geldverdienen das Leben der Türken. Die zwischenmenschlichen Beziehungen mit uns Ausländern sind weniger geworden.“ Rita sagt: „Wir leben seit 12 Jahren in unserem Haus mit Türken zusammen und sind gut aufgenommen worden. Wir werden als Deutsche voll akzeptiert. Unsere Integration ist gelungen.“

Was die Türkische Sprache betrifft, so klafft das Feld weit auseinander. Es gibt die, die die Sprache richtig gut sprechen, die die sich mühen und beständig lernen, die die es aufgegeben haben, weil Türkisch so schwer ist, und die, die wissen, wer ihnen hilft, so dass eigenes Türkisch nicht wirklich nötig ist.
„Manchmal ist es aber auch schwer, Türkisch anzuwenden, weil es auch ohne Worte geht“, sagt Ulli. „So erscheint, mein Name auf dem Telefondisplay und schon weiß der „Sucu“, der Wasserverkäufer, dass ich wieder Wasser brauche.

Aber wenn ich zu dem Angler „rast gele“ sage, dann staunt er und freut sich!“
Viele der Deutschen nutzen die Gelegenheit die Türkei zu bereisen und sind, so wie Tina, an Archäologie interessiert.

Viele konnten sich hier den Traum vom eigenen Heim am Mittelmeer verwirklichen, aber nicht alle, denn einige waren zögerlich in ihrer Entscheidung für ein Leben in Kaş, so dass die Immobilien zu teuer geworden sind.

Die deutschen Rentner sind in Deutschland krankenversichert und haben ihren Versorgungsstatus in Deutschland, was bedeutet, dass sie fast alle dort noch ein Heim haben.

Auch wenn es hier schön ist und man Deutschland eigentlich nicht vermisst, so pflegen sie dennoch deutsches Brauchtum wie Weihnachten und Ostern. Dann werden die Heime dekoriert und die Kinder lernen auch die christlichen Hintergründe. „Leider ist es so schwer, einen schönen Weihnachtsbaum zu bekommen, deshalb haben wie uns für einen künstlichen entschieden, was für mich in Deutschland undenkbar wäre“, sagt Petra. „Aber meine Kinder und mein Mann kennen es nicht anders und finden, dass unser Baum jedes Jahr wieder wunderschön ist.“

Das wohl sportlichste deutsche Ehepaar sind Margarete und Jochen. Margarete joggt nach Möglichkeit jeden Tag eine Stunde. Jochen, 66 Jahre alt, hat 2010 und 2011 am Schwimmwettbewerb während des „Likya Festival“ teilgenommen und ist im guten Mittelfeld, unter all den jungen Schwimmern, ins Ziel gekommen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat er einen Monat zuvor täglich trainiert.

Da das Essen einen hohen Stellenwert einnimmt, soll auch das erwähnt werden.
Man kocht so wie man es möchte, was einem schmeckt, was die Saison hergibt. Dabei mischen sich deutsche und türkische Gerichte. Viele deutsche Gerichte lassen sich nicht original herstellen, weil es die Zutaten dafür in Kaş nicht gibt. Das frische Gemüse und der frische Fisch bereichern den Speiseplan so, wie man es von Deutschland nicht kennt. Rita und Ulli geben ein wenig Einblick: „Es macht uns Spaß Oliven einzulegen und die schmecken dann richtig gut. Wir machen dann noch ein paar Ölvariationen dazu.“ „Auch lieben wir Leberwurst und Sülze, und weil man sie hier nicht kaufen kann, vermissen wir den Geschmack. Deshalb mache ich sie selbst. In Deutschland wäre ich nie auf diese Idee gekommen“, sagt Rita.

Internet, Telefon und deutsches Fernsehen sind wichtige Kommunikationsmittel, auf die wohl keiner verzichten möchte.

Es gibt sicher noch viel mehr zu erzählen und wahrscheinlich bleiben viele Fragen unbeantwortet, aber eines ist in den Gesprächen, die ich geführt habe, sehr deutlich geworden: Es gibt kein isoliertes deutsches oder europäisches Leben für die Deutschen in Kaş, sondern es ist ein Leben mit den Türken zusammen.